Eine Erfahrung in 12 Bildern
Das Zeitfahren Hamburg-Berlin: eine in bestimmten Kreisen legendäre Veranstaltung, die allein schon durch die schiere Distanz, die es dabei zu überbrücken gilt, dazu geeignet ist, den nicht radverrückten Bekanntenkreis massiv zu beeindrucken. Es ist gar nicht nötig, die anderen Hindernisse zu erwähnen: dass etwa die Veranstalter offensichtlich einen speziellen Deal mit Petrus abgeschlossen haben. Denn das ganze Jahr über herrscht vorzugsweise Windrichtung West, nur zu HHB bläst der Wind regelmäßig aus Osten. Dazu muss es mindestens entweder klirrekalt oder von oben nass sein. Kurz gesagt: es handelt sich um ein Rennen, das unbedingt auf das Haben-Konto von llama racing gehört.
Neben ausreichender Fitness braucht man für so eine Strecke auch ein gute Portion Motivation. Auch wir kommen nicht ohne aus. Nur: was soll es denn sein?
Einfach nur durchkommen? Zu profan (auch wenn selbst das nicht ganz einfach ist, wie ein Teil des Teams schon erfahren musste).
Nicht letzter werden? Ausgelutscht. Der Klassiker unter den Motiven für all jene, denen nichts besseres einfällt.
Unter die Top Ten kommen? Hmm, man muss ja auch ein wenig realistisch bleiben.Was dann? Das bestaussehendste Team weit und breit sind wir ja sowieso, von daher stand relativ schnell fest:
Mit Stil ins Ziel.
Das nehmen wir. Das machen wir. Der Wetterbericht kündigte Heldenwetter an (nass und Ostwind, siehe oben), perfekte Bedingungen für das llama racing team. Und so ging es denn auch los.
Wir hätten es dann! llama racing vollzählig kurz vorm Start (der Rücken im Hintergrund gehört nicht dazu). Mission „Mit Stil ins Ziel“ kann losrollen. Es regnet leicht.
Es wird hell. Schön, weil man kann die Landschaft sehen. Blöd, weil man kann den Regen sehen. Und man sieht jede Menge davon.
Die Gruppe, die uns aufgabelte und 30 km bis nach Dömitz mitzog, kannte offensichtlich den einen Weg, der nicht voll mit Kuhscheiße und Schlamm war. Unser Glück, auch wenn wir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten. Keine Schlammschlacht für uns –
– entsprechend sehen wir am Checkpoint immer noch beinahe so blendend aus, wie wir an den Start gegangen sind. Mission „Mit Stil ins Ziel“ ist noch im (hell)grünen Bereich. Zumal die Wolken zur Zeit leer scheinen.
Der Puls ist zwar ein wenig hoch, aber die paar Kilometer wird es schon noch gehen. Zumal der Wind uns bald einen dicken Strich durch die Reisegeschwindigkeit machen wird.
Die landwirtschaftlichen Wege, über die es jetzt vorwiegend geht, fordern ihren Tribut. Auf Kleidung und Rad machen sich kleine, aber hässliche Schlammspritzer breit. Jetzt müssen wir Tempo rausnehmen, denn so verdreckt wollen wir natürlich nicht im Hellen in Berlin ankommen.
Schön hier!
Das llama racing team lacht dem Wind ins Gesicht. Noch.
Der Wind lacht zurück.
Der Havellandkanal. Der Rest der Strecke verliert sich in Einsamkeit, die sich in strömenden Regen und Dunkelheit verwandelt. Entgegen häufig gehörter und gelesener Meinungen über den Streckenabschnitt, der nun folgt, war die Einsamkeit für uns mitnichten gleichzusetzen mit Depression oder Langeweile. Eine Strecke, die man noch nicht kennt, kann nur schön sein, gerade, wenn sie einsam ist. Die Monotonie kam erst mit der Dunkelheit.
Nach langer Diskussion an der Rezeption durften wir mit den Rädern ein Zimmer teilen. Eine heiße Dusche war auch dringend nötig.
Mission accomplished! Wir sind wie vorgesehen mit Stil ins Ziel gerollt, es hat nur niemand gesehen, weil es schon dunkel war. Und beweisen können wir es nicht, denn wir haben (weil wir so schmutzig waren) kein Bild gemacht. Aber wenn man in die Ergebnisliste schaut und dort ziemlich weit nach unten scrollt (NICHT GANZ NACH UNTEN! Nur fast.), dann kann man sehen, dass wir das Zeitfahren Hamburg-Berlin 2013 ganz offiziell gefinished haben. Und das kann nicht jeder von sich behaupten. Eine perfekte Veranstaltung, ein Wahnsinnsritt.
Was bleibt zu sagen? Zunächst einmal ein großes Dankeschön an den Audax Club SH, der dieses tolle Rennen organisiert hat. Ohne euch hätten wir gar kein Ziel gehabt, in das uns unsere Räder hätten tragen können. Dann an den Cervelover Lars, der Georg und uns mit Kost und Logis verwöhnt hat.
Wir ziehen die Caps vor all denen, die dem Wetter getrotzt und sich im Regen an den Start gestellt haben. Diejenigen, die es nicht bis ins Ziel geschafft haben: Kopf hoch, das ist anderen auch schon passiert! Diejenigen, die schneller im Ziel waren als wir: wir sprechen uns nächstes Jahr! Und die Handvoll, die noch nach uns angekommen sind: Respekt, ihr habt dem Scheißregen noch länger trotzen müssen als wir. Und wahrscheinlich war euch die Zeit zum Schluss genau so egal wie uns.
Wir hoffen, dass ihr alle ebenso einen wundervollen Tag auf dem Rad und genauso viel Spaß hattet wie wir.
Die nüchternen Daten zum Schluss:
- zurückgelegte Strecke: 279 km
- Gesamtzeit: 13h und 52 min (offiziell sogar 13:54)
- gefahrene Zeit: 11h und 36 min
- Ergebnis: Platz 94 von 100 (Laut Liste)
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